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: Leiten

Unter dem Thema Leiten werden die Elemente der Bodenindikatoren, Rippen und Noppen sowie deren Verwendung erklärt. Aus Erfahrungsberichten heraus wird der Begriff innere Leitlinie und deren Bedeutung sowie die Schwierigkeit für blinde Menschen beschrieben, sich ohne Leitelemente auf größeren Plätzen zu orientieren.

Für die Bodenindikatoren gibt es zwei Elemente: Rippen und Noppen. Als die DIN 32984 für Blindenleitsysteme im Jahr 2000 erstmalig veröffentlicht wurde, gab es lediglich schmale Rillenprofile. Elemente mit Noppen kamen erst später auf den Markt und wurden dann in den einzelnen Ländern und Kommunen nach unterschiedlichen Regeln verlegt. Mit der Normrevision im Jahr 2011 wurde die Geometrie der Bodenindikatoren vorgegeben und die Regeln vereinheitlicht. Die schmalen Rillenprofile wurden durch breite Rippen abgelöst.

Rippen signalisieren: in diese Richtung darfst du gehen - oder, falls quer zur Gehrichtung verlegt: Stopp, hier bitte nicht weiter. Rippenprofile

  • leiten die Person bei fehlenden natürlichen Leiteinrichtungen wie z.B. Häuserwänden
  • leiten die Personen im sicheren Abstand an Bahnsteigkanten oder Bushaltestellen und warnen hier gleichzeitig vor der Gefahr, abzustürzen
  • weisen als Streifen quer über den Gehweg mit Rippen in Gehrichtung auf seitlich gelegene allgemeine Ziele hin, z.B. auf Bushaltestellen, Treppen oder den Beginn eines Leitstreifens oder komplexeren Leitsystems
  • geben als Richtungsfeld der Person die Möglichkeit, sich anhand der Rippen auszurichten um z.B. eine Straße gerade zu überqueren
  • markieren als Fläche (mit Rippenstruktur parallel zum Bordstein) den Einstiegsbereich in öffentliche Verkehrsmittel
  • warnen als Sperrfeld mit Rippen quer zur Gehrichtung vor einer Gefahr wie der Nullabsenkung an einer Straßenquerung.

Noppen signalisieren: hier ist höhere Aufmerksamkeit erforderlich. Die genaue Bedeutung muss aus der Situation erschlossen werden. Noppen dienen als

  • Abzweigfeld: ein Leitstreifen biegt ab oder mehrere Leitstreifen treffen aufeinander
  • Auffindestreifen quer zur Gehrichtung: führt auf eine gesicherte Querung wie Ampel oder Zebrastreifen
  • Hinweisfeld an der inneren Gehwegkante: zeigt eine ungesicherte Straßenquerung an
  • Hinweisfelder auf etwas Interessantes wie z.B. einen Infopoint oder eine Sitzgelegenheit
  • Warnung vor einer ungesicherten Absturzkante wie Steg, Podest oder Terrasse
  • Warnung vor Treppen
  • Abschlussstreifen am Gehweg- oder Bahnsteigende
  • Warnung vor Hindernissen wie Fahrradständern, Absperrungen etc.
Bild Erfahrungsberichte rechts

Erfahrungs­berichte

„Mauern, Wände und andere Strukturen, die ich hören oder mit dem Stock verfolgen kann, sind ja ebenfalls Leitlinien. Bodenindikatoren brauche ich dort, wo mir diese Leitlinien nicht helfen können. Das ist der Fall, wenn ich offene Flächen durchqueren muss. Draußen sind das Plätze, innen z. B. Foyers. Bodenindikatoren helfen mir beim Auffinden von Buseinstiegspunkten außen und von Personenaufzügen, Rezeptionen usw. in Innenräumen. Und natürlich brauche ich die Bodenindikatoren, die mich vor Gefahren warnen – und die lauern überall.“

Ortsbegehung Alte Feuerwache

Begehung mit einer blinden Person und seiner Mobilitätstrainerin im August 2019: Als wir heute vor Ort waren, sagte die Mobilitätstrainerin sofort: "Hier ist alles richtig gemacht!“ und erklärte: „Verlässt man die Wohnanlage mit der Leitkante zu beiden Seiten, geht ein taktiler Streifen quer über den Weg; von einer Hauswand zu einem Blumenbeet. Dies ist – und das wissen nicht einmal viele Blinde – ein Auffindestreifen. Er soll mich auffordern einen Leitstreifen zu suchen, der mich über den Platz bzw. in Richtung der Abwärtstreppe führt und dort in einem Aufmerksamkeitsfeld endet. In umgekehrter Richtung markiert er das Ende des Leitsystems und führt zu den Häuserwänden, an denen man sich wieder orientieren kann. Das ist alles sehr gut gedacht, erschließt sich aber dem schlichten Menschenverstand nicht. Während wir uns das anschauten, sprach uns eine Dame an, die unsere Zustimmung suchte, dass dies doch unsinnig sei. Unserer Erklärung konnte sie wohl nicht ganz folgen, war danach aber gewiss nicht mehr gegen diese Wegelemente eingestellt. Wenn das Verständnis für solche Installationen fehlt, denken viele Menschen womöglich, dass hier öffentliche Gelder sinnlos ausgegeben werden. Hier ist also Aufklärung geboten.

Gespräch mit dem Inklusionsbeauftragten des ASTA der Universität Kiel

Ich bin zu meinem ersten Termin mit Herrn Luithard im ASTA-Büro der Universität verabredet. Herr Luithard ist Inklusionsbeauftragter, selbst Student und während des Studiums erblindet. Ein ASTA-Mitarbeiter bittet mich zu warten, da Herr Luithard gerade von der Bushaltestelle abgeholt wird. Auf dem Unigelände gibt es kein Leitsystem und da der Weg von der Haltestelle zum Büro des ASTA über einen Platz führt, kann er für Blinde nicht ohne Hilfe bewältigt werden. Zitat: „Mit den Indikatoren habe ich keine Schwierigkeiten, eine normgerechte Verlegung von Bodenindikatoren ist mir dabei schon wichtig. Wie ich dann dem Leitsystem zu folgen habe um an mein Ziel zu kommen, ist eine andere Frage... Vieles erschließt sich aus dem Zusammenhang und lässt sich mit dem Stock ertasten. Der Buseinstieg ist gut zu finden, nur ist bei der Ankunft von zwei Bussen nicht unbedingt klar, welche Linie wo hält. Ich folge den innen liegenden Begrenzungen und Kanten der Gehwege, der sogenannten inneren Leitkante. Auf großen Plätzen gibt es diese Leitkanten nicht, sodass sich blinde Menschen ohne ein Leitsystem kaum orientieren können. Ferner gibt es je nach Beschaffenheit des Platzes eine Vielzahl von Hindernissen in Form von Bänken, Radständern, gemauerten Begrenzungen und Beeten. Unterschiedliche und nicht in Gehrichtung verlegte Pflasterungen erschweren die Orientierung zusätzlich. Ich wäre sehr froh, wenn wir an der Uni ein Leitsystem hätten, das mich sicher zu den Eingängen und darüber hinaus führen würde.“

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