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: Orientieren

Zum Thema Orientieren werden überwiegend Erfahrungsberichte blinder Personen sowie die eines Mobilitätstrainers dargestellt. Die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von Radwegen werden anhand von Bildbeispiele aus der Praxis sowie von Überlegungen des Tiefbauamts thematisiert.

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Erfahrungs­berichte

Wenn blinde Menschen jemanden um Hilfe ansprechen, die Befragten aber nur mit der Hand zeigen: „Da müssen Sie lang gehen!“ hilft das natürlich nicht.

Eine blinde Person schildert seinen Weg zur Bushaltestelle

Wenn ich von zu Hause zum Bus möchte, gehe ich aus der Haustür nach rechts und an der Hauswand entlang. Wo die Glascontainer am Spielplatz stehen, gehe ich über die Straße, dann links und gleich wieder rechts und muss dann über den Blücherplatz. Dort stelle ich mein Gerät auf „Kompass“. Ich habe bloß das Problem, dass oft zwei große Busse am Spielplatz stehen und so weit in den Gehweg hinein ragen, dass ich manchmal dagegen laufe. Ich richte mich nach dem Kompass, der sagt mir „West, Westsüdwest“ Dann drehe ich mich wieder anders und habe zur Straße hin die Noppen und die Rippen und weiß, dass ich die Straße hier überqueren kann. Links kommt die Mauer von der Schule und ein Stück weiter ist der Zaun mit Eisengitter. So gehe ich zur Ampel. Nur leider ist das Signal so leise, dass ich es erst höre, wenn ich zwei Meter davor bin. Ich wedele erst mit dem Stock und merke, dass da ein Widerstand ist und dann merke ich am Fuß, dass ich auf den Noppen stehe und komme an die Ampel. Das Ortungssystem ist leise und bei Autogeräuschen ist es noch schlechter zu hören. Ich drücke den Knopf und warte auf das Signal: „Darfst gehen.“ Ich gehe rüber, halte mich links und kann dann zur Haltestelle weitergehen, wo wieder das Waschbrettmuster (Auffindestreifen) kommt, und zwar dort, wo das Schild „Haltstelle“ und der Einstieg sind. Da halten die Linien 11, 501 und die 900. Die Busfahrer sagen meist die Linie an.

Ein Mobilitätstrainer schildert seine Erfahrungen

Im Training versuche ich gleich am Anfang solche Ampeln zu nehmen, die gut ausgestattet sind, damit man erst mal Erfolgserlebnisse hat: a.) ich finde die Ampel, b.) ich kann mit Hilfe des Leitstreifens auf die Ampel zugehen, mich vom Gehör her ausrichten, aber auch mit dem Stock die Richtung überprüfen und dann die Straße gerade queren. Wenn Du bei der Noppe stehen bleibst und dann genau hörst, wo jetzt die Akustikampel ist, dann sind gerade die letzten Meter, bei denen es um Sicherheit geht – auf der Straße oder nicht auf der Straße stehen – entscheidend. Enttäuscht sind die Klienten dann, wenn eine Ampel weder Akustik, noch taktile Elemente hat. Je nach Situation vor Ort ist der Ausstattungsgrad sehr unterschiedlich. Früher wurde ein Training nach Umzug bewilligt, jetzt wird argumentiert, dass Umzug keine Krankheit sei, was inhaltlich natürlich Unsinn ist. Häufig braucht der Blinde ein Training, aber dann muss eher „Auffrischung bei Unsicherheiten“ oder Ähnliches auf dem Rezept stehen.

Einige Betroffene können Erfahrungen auf eine andere Situation übertragen oder mit Sehenden die Umgebung erkunden. Aber nicht jeder Sehende ist geeignet, die richtigen Stichworte zu geben und dem Blinden strukturiert durch Orientierungspunkte zu erklären, wie z.B. ein Kreisverkehr verläuft oder ihn durch ein Leitsystem zu führen.

Weitere Erfahrungsberichte betroffener Personen

1. Bei den neuen Rippenprofilen hält man die Spur. Ich habe das mit dem Trainer geübt. Er half mir: „Erst kommt das Kopfsteinpflaster und dann das Richtungsfeld mit den Rippen. Und jetzt gehen Sie mit dem Fuß einen halben Schritt vor, dann fühlen Sie einen Kantstein. Und die Kantsteine für Blinde sind etwas höher als die für die normalen Fußgänger oder Rollstuhlfahrer. Und dann stellen Sie sich normal hin und fühlen mit den Füßen, ob Sie gerade stehen. Wenn Sie gerade stehen, dann kommen Sie auch gerade drüben an.“ Aber in der letzten Zeit merke ich, dass ich dennoch nach rechts oder nach links drifte. Aber dann komme ich an den hohen Kantstein und merke, ah, hier ist ein Kantstein und erreiche so den Bürgersteig. Jetzt weiß ich, wo ich bin.

2. Ich habe jetzt neu mit dem Mobilitätstraining angefangen. Das letzte Training hatte ich, als ich noch einen guten Sehrest hatte. Als sich die Augen verschlechterten, habe ich gelesen, wie man sich orientiert und dachte: „Es steht ja alles in der Norm, dann machst Du das jetzt einfach mal so.“ Nun zeigt sich aber, dass ich manche Sachen nicht weiß.

3. Wenn ich zu Medimax will, habe ich ein kleines Problem: Treppen gibt es dort nicht mehr, nur Fahrstühle und Rolltreppen. Zur Rolltreppe muss man den Bogen nach hinten gehen, ich höre das Geräusch, kann aber den Einstieg nicht finden und laufe daran vorbei. Dann muss ich fragen: Wo ist die Rolltreppe?

4. Im Sophienhof bin ich sicher vor dem Straßenverkehr. Die neue Rolltreppe am Holstenplatz ist sehr leise, was ja eigentlich gut ist. Aber als blinder Mensch höre ich sie nicht mehr und kann sie schwer finden. Da sind auch keine Bodenindikatoren verlegt, nur das Kopfsteinpflaster.

5. Aufzug ist Mist: Ich weiß doch gar nicht wo ich drücken soll! Womöglich fahre ich in den Keller oder drücke den Alarmknopf. Bei mir im Haus habe ich gleich eine Markierung am Erdgeschoss gemacht, sodass ich abzählen kann.

6. Ich orientiere mich sehr über die Akustik, z.B. höre ich, wo ein Haus neben mir beginnt und endet oder wo es eine Einfahrt hat. Für mich ist diese Art der Orientierung wichtig, um geradeaus laufen zu können. Ohne Häuser oder Kanten am Gehweg kann ich mich am Parallelverkehr der Straße orientieren und an ein paar weiteren akustischen Punkten, die oft nicht ausreichen, die richtige Gehrichtung beizubehalten. Im Grunde muss ich mich darauf verlassen, halbwegs geradeaus zu gehen.

Beschäftigte des Tiefbauamts berichten:

Abgrenzung zu Radwegen

Die Abgrenzung zu Radwegen ist zum Beispiel ein Problem. Die früher zu diesem Zweck verwendeten schmalen Rillensteine sind schlecht zu tasten und passen nicht zur aktuellen Norm, sie wurden schon vor deren Inkrafttreten verlegt. Die Norm schreibt eine Abgrenzung vor, die ertastbar ist, aber ohne Verwendung von Platten, die für Leitsysteme genutzt werden. Im Hause haben wir lange diskutiert und uns für drei Reihen Kleinpflaster entschieden. Wir haben jetzt bei einigen Maßnahmen probehalber Noppensteine verlegt, da diese eine für die Verlegung und den Unterhalt günstigere Variante darstellen und zudem einen besseren Kontrast bieten.

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